Im aufzug
Im spiegel des aufzugs scheint ein graubleiches gesicht auf, grobkörnig, die lippen in bewegung, größer: warum, um gottes willen, ich, warum immer ich? Gibt es höhere befehle, aufgrund derer ich auserwählt worden bin? Im aufzug stille. Die notbeleuchtung flackert, das spiegelgesicht zu boden geglitten, die lippen bewegen sich noch: ein falsche frage, eine notfrage. Es gibt keine vorsehung, keinen höheren willen und keinen niederen. Das ist eine vereinfachende konzeption des verstands, ein hilfskonstrukt wie die materie. Was hilft mir hier raus? Der aufzugsspiegel von atem beschlagen. Ein finger zeichnet ein kreuz in den atemflecken. Im flackern der notbeleuchtung, in seinem rhythmus taucht auf und verschwindet das graubleiche spiegelgesicht, verkündend: und am ende gar ein sich-selbst-durchstreichen, eine verweigerung des auserwähltseins und der wahl. Im aufzug kein licht, kein laut. Ein kubus starrer schwärze verharrt im bürohochhaus. Die notbeleuchtung flackert nicht mehr, bleibt an. Am boden ein mann, in sich gekrümmt, seine stirn beständig auf die knie schlagend. Vor ihm, ihn an den schultern packend, eine krankenschwester, redet auf ihn ein: kehren sie um, pfeifen sie auf die vergeistigung und versinnlichung. Streichen sie alles durch, was sie bis jetzt mit aller macht verfolgt haben. Kehren sie zum leben zurück. Fühlen sie es, hier. Zieht seine hand an ihre brust. Die krankenschwester scheitert, sie kann den mann nicht zum aufstehen bewegen. Über die gegensprechanlage des aufzugs bittet sie um unterstützung: er will nicht begreifen, dass er nicht an totaler schwäche gestorben ist. Holt ihn ab, er hält auf dauer den betrieb auf. Zwei sanitäter zerren den mann aus dem aufzug. Die krankenschwester nickt ihnen aufmunternd zu. Bevor die beiden, der mann in ihrer mitte, verschwinden, ruft ihr der eine zu: beim krankwerden und sterben geht es nie natürlich zu. Das gesicht der krankenschwester im aufzugsspiegel. Die lippen bewegt, grobkörnig: je oberflächlicher und gröber, umso wertvoller, bestimmter, schöner, bedeutungsvoller erscheint die welt. Aus dem aufzug tönt leises lachen.